Restitutionsfall Benno Kaufmann

Handschrift des Malers Jacob Roux aus der Sammlung des jüdischen Kaufmanns Beno Berl Kaufmann – Restitution und Rückkauf

INVENTARNUMMER: Hs-9523

Beno Kaufmann Sammlermappe FDH Hs 9523 Roux Zuschnitt

 

66 Objekte aus der Sammlung von Beno Kaufmann von der Klassik Stiftung Weimar, der Sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek Dresden, dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv im Weimar und dem Freien Deutschen Hochstift Frankfurt wurden nach einer umfassenden institutsübergreifenden Recherche im Januar 2024 gemeinsam restituiert. Die Federführung der kooperativen Bemühungen, die zu einer einvernehmlichen Lösung geführt hat, lag bei der Klassik Stiftung Weimar.

Das Freie Deutsche Hochstift konnte in diesem Zusammenhang eine Handschrift des Malers Jacob Roux (1771-1830), einem bekannten Porträtisten der Goethe-Zeit, restituieren. Es handelt sich um eine Quittung über 4 Louis d’or für ein Porträt des Oberforstmeisters von Ziegesar, Weimar, datiert vom 31.1.1810. Wo sich dieses Porträt heute befindet, ist derzeit nicht bekannt. Die Handschrift gehörte zu Beno Berl Kaufmanns bedeutenden Autographensammlung zur Weimarer Klassik. Sie wurde 1942 von dem Berliner Kunsthändler Karl Ernst Henrici übernommen, der einen Teil der Sammlung dem befreundeten Kunsthändler Hellmut Meyer & Ernst in Berlin zum Verkauf übergab. Da Kaufmann Schutzumschläge mit seinem Namen für die Autografen drucken ließ, muss es sich um eine umfangreiche Sammlung gehandelt haben. Die Rouxsche Quittung wird im Freien Deutschen Hochstift in einem solchen Schutzumschlag des Sammlers verwahrt und befindet sich nach dem Rückkauf nun rechtmäßig in den Hochstift-Beständen. 

Beno Berl Kaufmann (1862-1942) war ein Kaufmann jüdischer Herkunft. Verheiratet war er mit Anna Kaufmann, mit der er seit 1922 in Dresden lebte. Die Ehe blieb kinderlos. Anna Kaufmann starb Ende der 1930er Jahre. Anfang 1942 wurde Beno Berl Kaufmann wegen einer psychischen Erkrankung vermutlich entmündigt; ein Treuhänder wurde von der Stadt Dresden eingesetzt. Im Alter von 80 Jahren wurde er am 19.6.1942 in der Jacobysche Heil- und Pflegeanstalt in Sayn bei Koblenz, einer Heilanstalt für jüdische Patienten mit psychischen Problemen zwangseingewiesen. Noch im selben Jahr wurden die Insassen und das Pflegepersonal in verschiedene Konzentrationslager verbracht und die Anstalt aufgelöst. Beno Berl Kaufmann wurde am 28.7.1942 nach Theresienstadt deportiert und verstarb dort am 12.8.1942 unter ungeklärten Umständen. Er ist damit eines der ca. 6 Millionen Opfer des Holocaust, die deportiert, ermordet und enteignet wurden.

Das Freie Deutsche Hochstift bedankt sich bei der Klassik Stiftung Weimar für den Austausch bei den Recherchen, die Ermittlung der Erben nach Beno Kaufmann und für die Möglichkeit, sich dem Restitutionsverfahren anzuschließen. Der Dank gilt ebenso den Erben, die sich bereit erklärten, diese Handschrift in der Hochstift-Sammlung zu belassen.

 

Restitutionsfall 1

Ferdinand Jagemann:
Carl August Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, um 1816/17

Öl auf Leinwand, 98,9 x 69,4 cm

Inventarnummer: IV-01786

 

Jagemann F Carl August von Sachsen Weimar Eisenach IV 01786 cHall Zuschnitt web

 

Das Gemälde mit dem Porträt des Großherzogs Carl August befand sich mindestens seit 1925 im Besitz von Gustav Stresemann (1878 – 1929). Der nationalliberale Politiker Gustav Stresemann war 1919 Mitglied der Nationalversammlung in Weimar. Im selben Jahr gründete er die nationalliberale Partei DVP und wurde 1920 ihr Fraktionsvorsitzender. 1923 war er Reichskanzler und von 1923 bis 1929 Reichsaußenminister der Weimarer Republik.

Er hinterließ eine Witwe, Käte Stresemann (1883 – 1973), geborene Käthe Kleemann, und zwei Söhne. Da sie jüdischer Herkunft war, wurden sie und ihre Söhne verfolgt. 1938 heiratete sie den norwegischen Diplomaten Rasmus Skylstadt (1893 – 1972). Er war Sekretär im norwegischen Auswärtigen Amt in Oslo und Abteilungschef beim Völkerbund in Genf. Durch die Heirat erhielt sie automatisch die norwegische Staatsangehörigkeit. Wegen der zunehmenden Verfolgung entschloss sich Käte Stresemann mit ihrem Sohn über die Schweiz in die USA zu emigrieren. Kurz vor der Emigration übergab sie das Gemälde dem Berliner Kunsthändler Karl Ernst Henrici, der es dem Freien Deutschen Hochstift zum Kauf anbot. Aus der Korrespondenz geht hervor, dass Henrici nur der Vermittler bei diesem Geschäft war und die Witwe auf eine schnelle Abwicklung drängte. Im Mai 1939 erwarb das Hochstift das Gemälde zu einem wesentlich niedrigeren Preis als ursprünglich gefordert.

Nachdem deutlich wurde, dass es sich um einen unrechtmäßigen Erwerb gehandelt hat, wurde im Jahr 2020 Kontakt mit den Erben aufgenommen; in einem (Video-) Gespräch wurden die Forschungsergebnisse geschildert und Informationen ausgetauscht. Den Erben war bis dahin nichts über die Existenz dieses Gemäldes bekannt gewesen. Bald nach dem Gespräch teilten sie mit, dass sie dieses Gemälde dem Freien Deutschen Hochstift als Geschenk überlassen möchten. Es ist nun rechtmäßiger Besitz des Hochstifts und wird in der Goethe-Galerie  im Deutschen Romantik-Museum gezeigt.

 

Restitutionsfall 2

Anonym, 18. Jahrhundert:
Vorführung einer Laterna Magica, um 1760/1770

Öl auf Leinwand, 104,5x82,4 cm

Inventarnummer: IV-01784

NN Vorfuehrung der Laterna Magica wohl um 176070 IV 01784 Zuschnitt web


Das Gemälde wurde 1932 in einer Publikation des Freien Deutschen Hochstifts zum international gefeierten 100. Todestag Goethes erstmals vorgestellt. Als Eigentümer wurde der Frankfurter Landgerichtsrat Dr. Arthur Adler-Stiebel (1882 – 1938) genannt.

Dr. Arthur Adler-Stiebel lebte mit seiner Mutter in einer Villa im Frankfurter Westend. Im Zuge des Novemberpogroms 1938 wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald in der Nähe von Weimar gebracht, wo er in einem „Sonderlager“ vier Wochen lang inhaftiert und misshandelt wurde. Kurz nach seiner Entlassung starb er am 25.Dezember 1938 an den Folgen der Haft.

Zurück blieb seine Mutter Hermine Stiebel, die die Villa samt Innenausstattung erbte. Sie wurde von den Finanzbehörden mit diskriminierenden Abgaben und Steuern wie zum Beispiel der Judenvermögensabgabe konfrontiert und war nach dem Tod ihres Sohnes ohne Einkommen. Daher verkaufte sie die Villa 1938 und zog in eine kleine Wohnung um. Vor dem Auszug ließ sie einen Teil der Innenausstattung bei einem Frankfurter Auktionator versteigern. Dieses Gemälde jedoch übergab sie wohl dem Frankfurter Kunsthändler Joseph Fach, der es im Februar 1939 (als Werk von Johann Georg Trautmann) an das Freie Deutsche Hochstift verkaufte. Auch wenn es keinen schriftlichen Beleg gibt, so ist der Erlös erfahrungsgemäß 1939 nicht an die jüdische Eigentümerin geflossen, sondern direkt zur Begleichung der diskriminierenden Abgaben verwendet worden. Daher wird dieser Erwerb als Restitutionsfall gewertet. Um diese Restitution in die Wege zu leiten, wurde nach möglichen Erben gesucht. Zwar war die Suche erfolgreich, jedoch hat der im Ausland lebende Erbe auf Anfragen bisher nicht reagiert.

Das Gemälde ist im Puppentheaterzimmer des Goethe-Hauses zu besichtigen. Eine Tafel informiert über die Geschichte des Bildes.

Restitutionsfall 3

Johann Christian Fiedler (1697 – 1765):
Selbstporträt

Pastell auf Pergament, 32,7x25,3 cm

Inventarnummer: IV-01643

Fiedler JC Selbstportraet IV 01643 Zuschnitt web

 

Das Selbstporträt von Johann Christian Fiedler befand sich von 1930 bis 1934 im Besitz von Regina Birnbach (1894 – 1938), geborene Spinat in Frankfurt. Sie führte zusammen mit ihrem Mann Michael Birnbach (1891 – 1965) das „Kaufhaus des Ostends“ in der Hanauer Landstraße 45 in Frankfurt. Die Familie Birnbach gehörte zu den sogenannten „Ostjuden“, die sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Ostend in Frankfurt angesiedelt hatten. Sie stammte ursprünglich aus Lanzut in Polen.

Bei dem „Kaufhaus des Ostends“ handelte es sich um ein sogenanntes Teilzahlungsgeschäft, das Erwerbungen auf Kredit abwickelte. Möglicherweise hatte sie dieses Gemälde als Sicherheit für einen Kredit erhalten, der dann nicht ausgelöst wurde. Über die Frankfurter Kunsthandlung J.P. Schneider verkaufte sie das Bild im September 1934 an das Freie Deutsche Hochstift.

1934 verließ die 14-köpfige Familie Birnbach Frankfurt mit einem Trick: Sie täuschte den Behörden und sogar ihrer eigenen Hausangestellten vor, dass sie nur einen kurzen Ausflug machen würden. Tatsächlich fuhren sie heimlich über die Grenze in die Schweiz und verließen 1934 das Deutsche Reich für immer, ohne irgendetwas mitzunehmen.

Im Jahr 2020 wurde Kontakt mit einer Erbin in den USA aufgenommen und der Austausch begonnen. Das Gemälde befindet sich im Depot des Freien Deutschen Hochstifts.

Restitutionsfall 4

Ludwig Gottlieb Karl Nauwerck (1772 – 1855):
Walpurgisnacht: Tanz und Gretchen-Erscheinung auf dem Blocksberg

Pinsel in Schwarz, über Bleistift auf braunem Papier; 37,2 x 55,1 cm (Blatt)

Inventarnummer: III-12273

Nauwerck Walpurgisnacht III 12273 web

 

Die Zeichnung wurde im September 1936 von Martha (Moo) Oppenheimer (1896 – 1997) an das Freie Deutsche Hochstift verkauft.

Martha (Moo) Oppenheimer, geborene Speier, wurde in Frankfurt am Main geboren. Sie studierte am Städelschen Kunstinstitut bei Frieda Blanca von Joeden (1878 – 1955), Mitglied des Frauenkunstverbandes, und Mathilde von Battenberg (1878 – 1936). Nach ihrem Studium im Bereich Holzschnitt, Plakatzeichnen und Reklamewerbung wurde sie Reklamefachfrau. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete sie für das Rote Kreuz und leitete ein Kinderheim in Metz; dabei lernte sie ihren späteren Ehemann, den Gynäkologen Hermann Oppenheimer (1865 – 1972) kennen. Beide waren jüdischer Herkunft und wurden deshalb in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt. Hermann Oppenheimer gab seine Praxis Ende 1937 auf und bereitete die Emigration der Familie nach London vor. Sie emigrierten im März 1938 nach London, wo sie zunächst unter schwierigen Bedingungen eine 13-köpfige Familie zu ernähren hatten. Beide erhielten keine Arbeitserlaubnis für ihren Beruf in Großbritannien.

Das Ehepaar baute daraufhin eine Kunsthandlung mit dem Namen „The Golden Past“ in London auf. Unter dem Namen „HW Oppenheimer“ avancierten sie zu einem sehr renommierten Geschäft für antiken Schmuck in London, das sogar das British Museum zu seinen Kunden zählte.

Die Zeichnung befindet sich im Graphik-Depot des Freien Deutschen Hochstifts.

Mit der Enkelin von Martha Oppenheimer wurde Ende 2021 Kontakt aufgenommen. Durch den Austausch konnten viele weitere wertvolle Informationen über die Familie Oppenheimer und ihr Schicksal vor und nach ihrem Exil gewonnen werden. Dabei wurde auch deutlich, dass Martha Oppenheimer in Frankfurt bereits in den 1930er Jahren mit Kunstwerken handelte. Die Provenienz dieser Grafik ist somit problematisch, aber nicht vollständig geklärt. Möglicherweise verkaufte Martha Oppenheimer diese Grafik im Auftrag einer anderen Person an das Freie Deutsche Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum.

 

Ein Restitutionsfall?

Justus Juncker:
Trompe-L’oeil mit Selbstbildnis, 1732

Öl auf w., doubliert, 87,4x70,9 cm

Inventarnummer: IV-1943-004

Juncker Trompe loeil mit Selbstbildnis IV 1943 004 cHall

 

Bei dem Selbstbildnis von Justus Juncker handelt es sich um einen Verdachtsfall. Er steht hier exemplarisch für die vielen ungelösten Fälle, bei denen mangels Informationen keine Entscheidung gefällt werden kann.

Das Gemälde erwarb Alfred Wolters (1884 – 1973), stellvertretender Direktor des Städels und Leiter der Städtischen Galerie in Frankfurt am Main, im Juni 1941 in Wien. Dies geht hervor aus seinem Dienstreisebericht aus dem Archiv des Städels, der uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde. Wolters berichtete darin dem Kulturreferat der Stadt Frankfurt, wie er Mitte Juni nach Wien fuhr und dort innerhalb von zwei Tagen zahlreiche „grosse, kleine und kleinste Kunsthändler“ aufsuchte. Bei einem dieser – nicht namentlich genannten – Kunsthändler erwarb er das Gemälde eines unbekannten Künstlers mit einem Porträt, das er aufgrund seiner profunden Kenntnisse der Frankfurter Malerei als ein Selbstporträt von Justus Juncker identifizierte. Er bot es zunächst dem Stadtgeschichtlichen Museum in Frankfurt (heute: Historisches Museum Frankfurt) zum Kauf an, welches jedoch kein Interesse zeigte. Daraufhin verkaufte er es 1941 dem Freien Deutschen Hochstift.

Da der Ankauf nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs und der daraufhin einsetzenden Verfolgung jüdischer Sammler stattfand, besteht hier ein starker Verdacht auf einen Zwangsverkauf. Jedoch gibt es keinerlei Hinweise auf den ursprünglichen Eigentümer in Wien. Es ist auch schwierig, in Auktionskatalogen oder anderen Unterlagen nach dem anonymen Porträt eines unbekannten Künstlers zu suchen. Daher gibt es derzeit keine Möglichkeit, die Provenienz aufzuklären und eine faire und gerechte Lösung herbeizuführen.

Das Gemälde von Justus Juncker ist in der Goethe-Galerie im Deutschen Romantik-Museum zu sehen.