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Seit dem 11. Februar hat Goethes Tagebuch ein neues Wort, das Ordnung in der Überfülle der Beschäftigungen anzeigt: „Hauptgeschäft“. Es bezeichnet die Arbeit am ‚Faust‘, dessen Helena-Akt im ersten Halbjahr zum Abschluss gebracht wird. Solche Hierarchisierung scheint dringend geboten, denn Goethes „Polypragmosyne“ (seine Vielgeschäftigkeit) nimmt auch in höheren Jahren nicht ab. „Hauptgeschäft“: Das Wort wird das letzte Jahrfünft von Goethes Leben begleiten, wobei es gelegentlich vom ‚Faust‘ zu den ‚Wanderjahren‘ wechselt. Sinnverwirrend ist, was er 1826 leistet: Nach der ‚Helena‘ werden zwei Novellen nach jahrzehntelangen Vorarbeiten zur Abschlussreife gebracht: ‚Der Mann von funfzig Jahren‘ und das Musterstück der Gattung, das später schlicht ‚Novelle‘ heißen wird. Aus der Masse der Lektüren sticht das Reisetagebuch des Weimarer Herzogs Bernhard aus Nordamerika hervor, das Goethe zum Druck bringt und das ihn zu monatelangen Studien über die Vereinigten Staaten verführt. Im Pariser ‚Globe‘ liest er, wie das moderne Frankreich ihn liest: Erregend! Und alles wird fruchtbar: Eine neue Dante-Beschäftigung regt Goethe zu einem Übersetzungsversuch an. Wenige Tage später nutzt er die Form der Terzine, des Danteschen Kettenreims, für seine Betrachtung von Schillers Schädel. Haupt- und Nebengeschäfte: Sie finden auch mündlich, beim Diktieren statt: „Und das ist doch auch ein Sprechen, / Wo ich keine Zeit verliere: / Niemand wird mich unterbrechen.“