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Obwohl Goethe die Bürgerrechtsbestrebungen seiner jüdischen Zeitgenossen ablehnte, zeigte er eine tiefe Faszination für die Traditionen und Texte, die er mit dem Judentum verband. Insbesondere die Hebräische Bibel diente ihm als beinahe modern anmutendes Vorbild für sein eigenes literarisches Schaffen. Dort fand er eine provokative moralische Komplexität und fehlerhafte, allzu menschliche Charaktere, die mit einem unergründlichen, überwältigenden Universum zu kämpfen hatten. In diesem Vortrag, der auf Karin Schutjers Buch ‚Goethe und das Judentum‘ (Wallstein 2020) basiert, wird das Alte Testament als wichtiges Vorbild für beide Teile von Goethes Meisterwerk ‚Faust‘ vorgestellt. Ausgehend von der Bezeichnung Fausts als „Knecht“ des Herrn im ‚Prolog im Himmel‘ werden Vergleiche zwischen Faust und den großen biblischen Helden Hiob, Salomon und Moses im Drama gezogen. Der Pakt selbst erweist sich als ein eindeutig nicht-christlicher, eher „alter“ Bund, der ununterbrochenes, irdisches Streben erfordert ohne Rücksicht auf ein Jenseits.
Dr. Karin L. Schutjer ist Professorin für Germanistik an der University of Oklahoma. Ihre Forschungen befassen sich mit den Überschneidungen von Philosophie, Religion, Literatur und sozialem Denken im Deutschland des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Dichter Johann Wolfgang von Goethe. Sie ist Autorin von der Monografie ‚Goethe und das Judentum: The Troubled Inheritance of Modern Literature‘ (2015), die in deutscher Übersetzung unter dem Titel ‚Goethe und das Judentum. Das schwierige Erbe der modernen Literatur‘ erschien sowie von ‚Narrating Community after Kant: Schiller, Goethe, Hölderlin‘ (2002). Zusammen mit Hester Baer war sie drei Jahre lang Mitherausgeberin der Zeitschrift ‚German Quarterly‘ und sechs Jahre lang Herausgeberin der Buchreihe ‚New Studies in the Age of Goethe‘ (Bucknell University Press). Vierzehn Jahre lang gehörte sie dem Vorstand der Goethe-Gesellschaft von Nordamerika an, davon zwei Amtszeiten als Geschäftsführerin.