31.07.2024

Restitution einer Stadtansicht Dresden

Deutsches Romantik-Museum

Frankfurter Goethe-Haus

Am 30. Juli 2024 hat das Freie Deutsche Hochstift eine Vedute von Johann Christian Vollerdt (1708-1769) ‚Dresden vom rechten Elbufer aus gesehen‘, an die Erben nach Dr. Fritz Goldschmidt restituiert. Sie war bis 1934 Eigentum der Galerie Dr. Fritz Goldschmidt, Berlin. Der Inhaber bot das Gemälde am 27. Juni 1934 dem Freien Deutschen Hochstift für 750 RM an, schickte es am 1. August 1934 zur Ansicht nach Frankfurt und verkaufte es schließlich am 13. September 1934 für 450 RM. Entsprechende Preisverhandlungen sind in der vorliegenden Erwerbungsakte nicht dokumentiert, so dass die Unterlagen vermutlich unvollständig sind.


Zum Freien Deutschen Hochstift bestanden bereits vor 1933 Geschäftsbeziehungen zur Kunsthandlung Goldschmidt-Wallerstein. So verkaufte sie 1931 zwei Porträts von Anton Graff (Christian Gottfried Körner und Minna Körner) sowie 1932 Philipp Hackerts Gemälde ‚Grabmal der Plautier‘ an das Hochstift. Der Verkauf der Vollerdtschen Vedute aus dem Jahr 1934 wird dennoch als verfolgungsbedingte Entziehung gewertet, da dieser unter gänzlich anderen politischen Rahmenbedingungen stattfand: Fritz Goldschmidt und Victor Wallerstein mussten im Sommer 1934 ihr Geschäft aufgrund „rassischer“ Verfolgung aufgeben. Der Verkauf erfolgte im zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit der erzwungenen Auflösung des Geschäftes. Goldschmidts offensives Drängen auf den Ankauf durch das Hochstift, deutet zudem auf den ökonomischen Druck hin, der auf ihm lastete. Zwar hat er den Kaufpreis definitiv erhalten, die Summe lag jedoch deutlich unter dem anfangs geforderten Preis. Das Freie Deutsche Hochstift hat sich daher zur Restitution entschlossen und den Erben nach Fritz Goldschmidt dieses Gemälde übergeben. Die Provenienzprüfung fand im Rahmen eines vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste geförderten Forschungsprojektes statt.


Die Kunsthistoriker Dr. Fritz Goldschmidt (1866-1935) und Victor Wallerstein (1878-?) waren Inhaber der 1919 gegründeten Galerie Goldschmidt-Wallerstein in Berlin, Schöneberger Ufer 36a. Zum Zeitpunkt des Verkaufs an das Freie Deutsche Hochstift im Jahr 1934 hatten sich die beiden Geschäftspartner bereits wieder getrennt. Beide Kunsthändler waren jüdischer Herkunft und litten unter der nationalsozialistischen Verfolgung. Das Haus am Schöneberger Ufer 36a hatte Goldschmidt von seinem Vater geerbt. 1921 eröffnete er gemeinsam mit Victor Wallerstein in der zweiten Etage eine Moderne Abteilung mit Werken von zeitgenössischen Künstlern, wie Erich Heckel, Otto Müller, Lyonel Feininger, Oskar Kokoschka oder Wassily Kandinsky. 1927 musste die moderne Abteilung aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten aufgelöst werden. 1928 bezogen Goldschmidt und Wallerstein neue Geschäftsräume in der Viktoriastraße 21 im Tiergarten und konzentrierten sich wieder auf alte Malerei und Skulpturen. Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre setzte der Galerie jedoch weiterhin stark zu. Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde die Lage überaus kritisch: Die Galerie schloss im Sommer 1934 und wurde zwei Jahre später im Handelsregister gelöscht. Fritz Goldschmidt starb nach langer Krankheit am 19. Juli 1935 in Berlin.

Seit 1915 war Fritz Goldschmidt mit Helene Goldschmidt, geborene Kühn, verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Söhne, Peter Rudolf (*11.4.1923 in Berlin) und Fritz (*8.10.1926 in Berlin), die beide von ihm als Erben eingesetzt wurden. Da die Söhne bei seinem Tod noch minderjährig waren, war seine Witwe der Vormund. Als Fritz Goldschmidt starb, war der Nachlass überschuldet, die Firma befand sich in Liquidation. Seine Witwe führte eine Kunsthandlung unter einer anderen Adresse in Berlin weiter. Die beiden Söhne überlebten im Versteck in Holland.


Victor Wallerstein war 1934/1935 weiterhin als Kunsthändler in Berlin tätig, musste aber 1936 nach Italien emigrieren. Er starb 1944 durch einen Bombenangriff der Alliierten in Florenz.

 

Über das restituierte Gemälde ‚Dresden vom rechten Elbufer aus gesehen‘
Der Maler Johann Christian Vollerdt war ein Schüler des Dresdner Hof- und Landschaftsmalers Johann Friedrich Alexander Thiele (1747-1803). Mit der Dresdner Ansicht wiederholte er ein Motiv, das sein Lehrer 1726 radiert hatte, und hielt sich dabei eng an die Vorlage. Auf dem Meilenstein ist das Monogramm „AR“ angebracht; es verweist auf Augustus Rex, den regierenden Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August II.


Provenienzforschung am Freien Deutschen Hochstift
Von 2019 bis 2021 wurden die Bestände der Kunstsammlung des Freien Deutschen Hochstifts, die in der Zeit des Nationalsozialismus erworben wurden, von Provenienzforscherin Dr. Anja Heuß geprüft.

Gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste 2019-2021

 

Provenienzforschung am Freien Deutschen Hochstift