„Wenn ich ein Vöglein wär“ oder „Schlaf, Kindlein, schlaf“ – viele alte Volkslieder sind bis heute bekannt. Das hat auch mit der Sammlung Des Knaben Wunderhorn der Freunde Achim von Arnim und Clemens Brentano zu tun. Schon während ihrer Rheinreise waren sie von schlichten, eingängigen Volksweisen begeistert. Deshalb begannen sie, schwer auffindbare oder vergessene Liedtexte zu sammeln. Das hatten vor ihnen schon andere gemacht, z. B. Johann Gottfried Herder, der auch Goethe zur Mitwirkung gewonnen und 1773 den Begriff ‚Volkslied‘ geprägt hatte. Lange waren diese Lieder als kunstlos und primitiv eingeschätzt worden. In der Zeit der Romantik, vor dem Hintergrund der Napoleonischen Kriege, fanden solche Zeugnisse aus der Vergangenheit aber zunehmend Aufmerksamkeit.
1805 reiste Arnim zu seinem Freund nach Heidelberg, wo sie innerhalb weniger Wochen einen ersten Band mit dem Untertitel Alte deutsche Lieder zusammenstellten. Tatsächlich haben sie nicht nur historische Fundstücke veröffentlicht, sondern auch Bearbeitungen vorgenommen und eigene Dichtungen einfließen lassen. Das entsprach ihrer romantischen Arbeitsweise, denn sie strebten keine wissenschaftliche Dokumentation an, sondern wollten die Gedichte möglichst weit verbreiten.
Die Fülle des Materials war groß. Beim Sammeln halfen auch andere, wie die Brüder Grimm oder Bettine Brentano. Auf den im September 1805 gedruckten ersten Band, der auf 1806 vordatiert wurde, folgten 1808 zwei weitere. Die Titelblätter wurden sehr sorgfältig gestaltet: Im ersten Band findet sich ein reitender Knabe mit einem Waldhorn. Der zweite Band zeigt ein reichverziertes Trinkhorn vor einer Ansicht von Heidelberg. Auf dem Titel des dritten Bandes ist ein musizierendes Paar aus der Zeit der Gotik zu sehen sowie, passend zu den hier enthaltenen Kinderliedern, als weiteres Bild eine Waldszene mit einer Krippe. Anders als im zweiten Wunderhorn-Band abgebildet, war das Heidelberger Schloss allerdings seit Ende des 17. Jahrhunderts eine Ruine. So zeigt es auch das Gemälde des schottischen Malers George Augustus Wallis von 1812, das in der Station zu sehen ist. Noten enthielten die Wunderhorn-Bände nicht, aber bald wurden einzelne Lieder vertont.
Arnim und Brentano hatten den ersten Band Goethe gewidmet, der umgehend eine anerkennende Besprechung veröffentlichte. Er wird sich an seine Straßburger Zeit 1771 erinnert haben, als er selbst an Herders international angelegter Volkslieder-Sammlung mitgewirkt hatte. Die Beschränkung auf die deutschsprachige Literatur bei den beiden Romantikern war nicht in Goethes Sinne, aber dennoch wünschte er: „Von Rechts-wegen sollte dieses Büchlein in jedem Hause […] zu finden seyn“. Viele Ausgaben, die der ersten Neuauflage des Wunderhorns von 1819 folgten, machen dies bis heute möglich.
(Band 1.) Heidelberg: Mohr und Zimmer; Frankfurt a. M.: Mohr 1806 (1805 erschienen). Titelvignette von (Johann Christian?) Kuntze nach Achim von Arnim. S. 3‒10: Widmung an Goethe. Band 2. Heidelberg: Mohr und Zimmer 1808. Gestochener Titel ...
Öl auf Leinwand. Aus dem Besitz von Christian Adam Fries (1766‒1847), Heidelberg.
1 Doppelblatt.
Leipzig: Kühnel 1808.