Autorinnen der Romantik

Aufgedeckt!

Mutig trabte ein Reisender den Hügel herauf. Vertieft im Genuß der ihn umgebenden Herrlichkeit und in Phantasien, die ihn bald vor- bald rückwärts rissen, hatte er den rechten Weg verfehlt, und nun sah er sich auf einmal vor einem Walde, den er durchreiten mußte, wenn er nicht gerade wieder umkehren und zurückreiten wollte; ein andrer Weg war nicht zu finden. Er war lange zweifelhaft.
Jetzt wieder umkehren wäre ein unnützes Stück Arbeit. Wäre ich etwa umsonst hierher geraten? In diesen Wald kam ich ungefähr auf eben die Weise wie ins Leben... wahrscheinlich habe ich im ganzen auch des Weges verfehlt. Und wie? wenn mir auch hier wie dort die Rückkehr unmöglich wäre?... Sei meine Reise wie mein Leben und wie die ganze Natur, unaufhaltsam vorwärts!

Diese Gedanken macht sich der Protagonist im Roman Florentin von Dorothea Schlegel, geboren 1764 als Brendel Mendelssohn. Der junge Abenteurer versucht, „unaufhaltsam vorwärts“ zu reisen, doch schon bald durchkreuzt ein Wildschwein seine Pläne. Ob nur der Zufall oder doch das Schicksal am Werk ist, um diese Frage kreist der unvollendet gebliebene Roman. In Florentins Lebensgeschichte sorgen auch eine heikle Liebesbeziehung und Gespenster für Spannung. Theodor Storm verglich den Roman mit Goethes Wilhelm Meister.

Florentin erschien 1801 anonym. Als Herausgeber wird Dorothea Schlegels Mann Friedrich angeführt, der Name der Autorin blieb ungenannt. Einige ihrer Texte wurden bis heute gar nicht publiziert, andere sind vergriffen. So etwa ihre vielgelesene Geschichte des Zauberers Merlin, in der sie den altfranzösischen Artus-Stoff für die Gegenwart bearbeitete. Dass Dorothea Schlegel die Romantik auch mit eigenen Werken, Rezensionen und Übersetzungen prägte, wurde schnell vergessen. Dabei war sie weit mehr als eine Mitbewohnerin in der romantischen Jenaer Wohngemeinschaft. Sie überlebte ihren Mann um zehn Jahre und starb 1839 in Frankfurt. Das Paar hatte immer Geldsorgen, noch ihr Testament zeugt davon, dass Dorothea Schlegel bis zum Schluss bemüht war, Friedrichs Schulden zu begleichen.