Romantik-Ausstellung

France Prešeren und die slowenische Romantik

France Prešeren wurde in Zeiten des Umbruchs geboren: Das 18. Jahrhundert, das in seinen Annalen mehrere transkontinentale Kriege, eine intellektuelle Auseinandersetzung zwischen Philosophen und Christen und schließlich die großen Revolutionen an der westlichen und östlichen Atlantikküste verzeichnete, trat in seinen letzten Monat ein. Mitteleuropa, über das sich das Heilige Römische Reich erstreckte, war ebenso wie Italien noch immer ein Schlachtfeld, auf dem die französischen Armeen und die Truppen der Habsburger Monarchen aufeinandertrafen. Die Welt war hin- und hergerissen zwischen Konstanten und Brüchen.

Prešeren kam am 3. Dezember 1800 im Dorf Vrba im ehemaligen Herzogtum Krain (damals österreichisch, heute die slowenische Region Gorenjska) zur Welt. Das Bauernhaus, in dem er deren Licht erblickte, war der Mittelpunkt des Besitzes seiner Familie, deren Mitglieder nicht mehr in klassischen Feudalverhältnissen gefangen waren. Aus ihren Reihen stammten mehrere Priester, die bei der schulischen Bildung ihrer jüngeren Verwandten halfen.

Prešeren verabschiedete sich früh von seinem Zuhause. Er besuchte eine Schule im südlich gelegenen Reifnitz (heute Ribnica), als seine Heimatregion im Herbst 1809 von Napoleon erobert und zu einem neuen Verbund zusammengeschlossen wurde, den Illyrischen Provinzen. Der künftige Dichter formte also seine Persönlichkeit unter radikal veränderten Bedingungen: Die zuvor österreichische Verwaltung und das Bildungswesen waren nach dem Vorbild der Institutionen im Französischen Kaiserreich grundlegend reformiert worden.

Als Prešeren 1812 nach Ljubljana kam, war es noch die Hauptstadt der Illyrischen Provinzen. Im Gymnasium wurde er vom Dichter Valentin Vodnik, einem Bewunderer Napoleons, in Italienisch unterrichtet. Sein Universitätsstudium schloss Prešeren anschließend in Wien ab. Im März 1828 wurde er zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert. Zu jener Zeit schrieb er bereits Verse, veröffentlichte aber nur ein einziges Gedicht. Seine frühen Werke zeigte er dem Sprachwissenschaftler Jernej Kopitar, der in der Hauptstadt der größte Kenner der Slawistik war. Der gelehrte Landsmann riet dem Dichter, seine Verse ein paar Jahre in Ruhe zu lassen und dann an ihnen zu „feilen“.

Nach seiner Rückkehr nach Ljubljana wurde Prešeren Rechtsanwalts- und anschließend auch Gerichts- und Finanzverwaltungspraktikant. Da er jedoch nicht vom absolutistischen Regime abhängig sein wollte, entschloss er sich schließlich, freischaffender Anwalt zu werden, doch die Behörden hinderten ihn bis 1846 daran, diesen Beruf selbständig auszuüben. Angeblich aus formellen Gründen, weil er im Mai 1832 bei der Advokatenprüfung in Klagenfurt nicht gerade geglänzt hatte, tatsächlich aber aufgrund von Vorurteilen der Staatsbeamten gegenüber seine religiösen und politischen Standpunkten.

 

Entwicklung der Slowenischen Literatur

Als Prešeren den geistigen Raum der slowenischen Literatur betrat, hatte diese bereits eine lange Entwicklung hinter sich. Zur Zeit der Ständeordnung entwickelten sich bereits erste Ansätze einer slowenischen Literatur in Volkssprache, während sich in adligen und bürgerlichen Kreisen Deutsch und Italienisch durchgesetzt hatten. In der Kirche herrschte Latein vor, doch seit dem frühen Mittelalter sprachen Priester einfache Laien in der Landessprache an. Im 16. Jahrhundert entwickelten slowenische Protestanten eine vollständige religiöse Literatur reformatorischen Typs: 1584 erschienen in Wittenberg eine Übersetzung der Heiligen Schrift und eine Grammatik der slowenischen Sprache. Später fügten sie noch ein Wörterbuch hinzu. Die Bibel und die Grammatik wurden auch nach der Rekatholisierung verwendet.

Das 18. Jahrhundert, das in der Habsburgermonarchie von einer energischen Modernisierung gekennzeichnet war, offenbarte das Problem der Unterrichtssprache in den Volksschulen in seiner ganzen Breite. Durch die Bemühungen der nationalen Bewegung etablierte sich in den Schulen das Slowenische, was in der Folge Einfluss auf das literarische Schaffen und dessen Rezeption hatte. In der Zeit von 1779 bis 1781 erschien in Ljubljana der erste Gedichtalmanach in slowenischer Sprache, der den Lesern Verse mit barocken, rokokoartigen, klassizistischen, ja sogar vorromantischen Mustern präsentierte. Die Aufklärer versuchten auch mithilfe des Theaters auf die einfachen Leute einzuwirken, da es sich sowohl an Menschen richtete, die lesen und schreiben konnten, als auch an die noch immer vielen Analphabeten. Am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert wurde der Raum für weltliche Poesie in slowenischer Sprache durch Valentin Vodnik, Urban Jarnik – eines seiner Gedichte wurde sogar in einer deutschen Übersetzung von Franz Schubert vertont – sowie Goethes Verehrer Janez Nepomuk Primic erweitert. Auch der zwischen dem Ideal der Liebe und der Realität seiner Arbeit schwankende Priester Štefan Modrinjak ist in diesem Zusammenhang zu nennen.

 

Eine neue Generation: Die Romantik

Eine neue Generation von Dichtern rief den Gedichtsammelband Krajnska čbelica (Die Krainer Biene) ins Leben. Prešeren, der im Rahmen dieses Almanachs besonders stark hervortrat, beschritt mit seiner Dichtkunst den Weg der damaligen europäischen Poesie, vergaß dabei aber nicht die Tradition der slowenischen Volks- und Gelehrtenkultur. So überarbeitete er gekonnt die von Sehnsucht geprägte Ballade über die Lepa Vida (Schöne Vida), während er den Stoff für seinen Povodni mož (Wassermann) im Werk des heimischen Universalgelehrten Janez Vajkard Valvasor fand, der zu Newtons Zeiten Mitglied der Londoner Royal Society war. Prešerens poetologische Anschauungen wurden von italienischen Sonettautoren, den Brüdern Schlegel, Lord Byron und den Schöpfern romantischer und engagierter Poesie in Frankreich und Mitteleuropa beeinflusst.

Der Dichter formte all diese Einflüsse in etwas Eigenes um und gelangte so zu einem Ausdruck, der es ihm ermöglichte, sein persönliches Verständnis der Welt und des menschlichen Daseins zu artikulieren. In den Augen seiner slowenischen, deutschen, tschechischen und russischen Zeitgenossen erlangte Prešeren, der 1836 sein großes, in Versform gehaltenes Nationalepos Krst pri Savici (Die Taufe an der Savica) und 1847 den Gedichtband Poezije (Poesien) veröffentlichte, großes Ansehen. Als ein Jahr vor der Märzrevolution seine poetische „Enzyklopädie“ erschien, war er bereits ein selbständiger Anwalt in Kranj. Metternichs absolutistisches Regime verlor in seiner Endphase allmählich seine frühere Schärfe und gewährte auch kritischen Menschen wie Prešeren etwas mehr Raum in der Öffentlichkeit.

Nach dem Ausbruch der Märzrevolution, an der sich Prešeren aktiv beteiligte, konnte auch sein hymnenartiges Gedicht Zdravljica (Trinkspruch), dessen Druck zuvor verhindert worden war, das Licht der Welt erblicken. Das Gedicht, in dem der Gedanke der slowenischen Emanzipation mit der Vision einer weltweiten Bruderschaft der Nationen und guten Menschen verknüpft ist, wurde Ende des 20. Jahrhunderts zur slowenischen Hymne, vertont vom musikalisch begabten Priester Stanko Premrl.

Als Prešeren am 8. Februar 1849 starb, galt er vielen als Vorbild; die nächste Generation slowenischer Literaten sah ihn hinsichtlich seiner Position im heimischen Kanon bereits als unerreichbar an. Seine Verse wurden von Dichtern, Professoren und Staatsmännern übersetzt, und bald begannen auch Literaturhistoriker, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Er wurde auch selbst zum Helden literarischer Werke. Die slowenische Schriftstellerin Luiza Pesjak, die von Prešeren höchstpersönlich zum Schreiben ermutigt worden war, sorgte als eine der ersten dafür. Sie versuchte über Prešeren, der sie einst mit einem Sonett auf Deutsch dazu angespornt hatte, Sapphos Beispiel zu folgen, eine Tragödie zu verfassen, doch es gelang ihr nicht, sie zu Ende zu bringen. Dennoch ging sie als Universalautorin in die slowenische Literaturgeschichte ein: Aus ihrer Feder stammt nicht nur das Libretto zu Anton Foersters Erfolgsoperette Gorenjski slavček (Krainer Nachtigall), sondern auch patriotische Poesie und Verse für die Jugend, die mehreren Generationen den Weg in die Welt der Literatur wiesen. Luiza Pesjak ist außerdem Autorin des Familienromans Beatin dnevnik (Beatas Tagebuch), der sich in die Strömung der damaligen europäischen Familienromane einreihte. Tatsächlich setzte sie in einer Reihe literarischer Genres die Berufung fort, die France Prešeren ihr einst offenbart hatte.