Romantik-Ausstellung

An eine junge Dichterin

Vorgestern kamen wir von Schneeberg zurück, wo wir uns trotz dem ungünstigen Wetter gut unterhielten. In Cirknitz hielten wir uns einen Tag auf. Wir fuhren auf dem schönen, weltberühmten Cirknitzer See. Ich dachte bei dieser Wasserfahrt unwillkührlich immer an Coopers Erzählung, die ich jetzt lese und die Der Wildtödter betitelt ist und welche auf dem Glimmerglass See in Amerika spielt. Der See hatte nicht seine größte Ausdehnung, die Küste war natürlich unregelmäßig und durch Buchten unterbrochen. Die Gegend ist hübsch, der See lag so friedlich, so rein da, nichts regte sich, nur die Ruder verursachten ein kleines, tacktmäßiges Geräusch, der Kahn glitt so ruhig über die klare Wasserfläche, ach, es war so herrlich. Ich hätte stundenlang diesen ungewohnten Anblick genießen mögen. Der Stempel tiefer Ruhe, die Stille der Natur, die Ansicht eines Gegenstandes, der meine Gedanken so oft beschäftigte, gewährte mir so reines Entzücken. Der Tod selbst beim Anblicke einer schönen Landschaft, beim aufgeschlagenen Buche der Natur müßte schöner, süßer sein. In der Natur fühlt man ja die Nähe des höchsten Wesens und die Nichtigkeit der armen Sterblichen um vieles mehr als in den eingenagten düsteren Gemächern, die freie, kunstlose Natur ist ja der herrlichste, herzerhebendste Tempel, den Gott selbst zum Wohle seiner Kinder und zu seiner Verherrlichung erbaute. Mir ist es immer so wohl, so friedlich zu Muthe, wenn ich mich in der freien Luft bewegen kann. Nichts geht über die Natur!–

Transkript Prof. dr. Urška Perenič