Romantik-Ausstellung

Brief an Karoline von Günderrode, Marburg, Mitte Mai 1802

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Gute Nacht! Du lieber Engel, ach bist du es, bist du es nicht? so
öfne alle Adern deines weisen Leibes, daß das heiße schäumende
Blut aus tausend wonnigen Springbrunnen sprizze, so will
ich dich sehen, und trinken aus den Tausend Quellen, trinken
biß ich berauscht bin, und deinen Tod mit jauchzender
Raserei beweinen kann, weinen wieder in dich all dein
Blut, und das meine in Trähnen, biß sich dein Herz wieder
hebt, und du mir vertraust, weil das Meinige in
deinem Puls lebt. — O wenn du mich kenntest, du würdest
den Muth verlieren mich zu lieben, den du nicht fassen
kannst, da du mich nicht kennst. —. Ich weiß so unendlich
viel, daß es mir das Herz zersprengt, es zu sagen, aber
sprechen ist ein langsames Todtmartern, und lägst
du nur eine Nacht in meinen Armen, so solltest du dir
meine Liebe an deinen warmen Brüsten ausbrühen,
und du wüstest alles, waß ich weiß, und brauchtest
nicht mehr zu erschrecken, über alles, waß ich sagen
darf, weil ich will. Wahrhaftig liebes Kind, die
Jugend ist zart, und man kann nicht mit ihr sprechen,
die Jugend soll vom Leben lernen, o du liebe Jugend
warum darf ich dich nicht lehren, nicht wahr du
liebst mich nicht? ja das thun die Leute, thue du
es auch, denn du glaubst wohl auch, waß die Leute
wißen ist bös, und das Geheime gut. Es mag
dir wohl wunderlich werden bei diesen Worten, denn du magst
allerhand, waß man nicht soll, o ihr armen lieben zweibeinigten
Engel in der Hölle, und du Günterrödchen im Fräuleinstift, waß
habe ich euch so lieb, ihr Teufel und ihr Engel, mein Herz ist keine
Arme Seele. Alles das schreibe ich in einem süßen drehenden Rausch,
die Mondnacht, und der Frühling haben sich nicht gescheut,
vor meinen Augen das süße heilige Liebeswerk zu voll
bringen, und damit das Bewustsein solcher Wollust nicht ver

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lohren gehe, haben sie das Seufzen ihrer Liebe an dem Echo meines
Busens gebrochen, und wie sie sich umarmten, verwandelten sie
sich in eine goldne süße bittere, wollüstige Schlange, die mich
mit den lebendigen drükkenden Zückenden Feßlen ihres Leibes
umwand, so saß ich am Berge und sah ins weite Thal, das
sich wie ein leichter Berg auf mein Herz warf, und da riß
ich die Kleider von mir, das die Umarmung keuscher sei,
wie der Blizz schnell und elektrisch biß mir die goldne Schlange
ins Herz, und ringelte wie in gewundener Lust an mir Herauf,
sie vergiftete mich mit göttlichem Leben, und in mir war
ein anderes Leben, es zieht mir mit ergebendem Wieder
stand durch Adern und Mark, und die Schlange zog durch
die Wunde nach, und ringelt sich jezt freudig und liebend
um mein Herz, es ist zu viel, waß ich habe, drum beiße
ich mir die Adern auf, und will dir es geben, aber du
hättest es thun sollen, und saugen müßen. Oefne
deine Adern nicht Günterrödchen, ich will dir sie auf
beisen. O ich bin ein Arabisches Roß, warum nicht,
wenn ich dich hier hätte, und du solche Hochzeiten
feiern sähest neben mir, so sollte Mondnacht
und Frühling uns das Echo sein, daß ich ihnen
war. —. (Wenn du mich nicht verstehst, so schreibe mir es, da mit ich nicht mehr schreibe)
Schreibe mir recht vernünftige Briefe lieber Engel,
und wenn du mich lieben kannst, so thue es, kein Tropfen
solchen süßen Weins soll verlohren gehn, ich trinke
deine Gesundheit, mit jedem Blick, den ich in den Frühling
thue, und jeder meiner Gedanken an dich, ist eine Gesundheit,
die ich dem Frühlinge zu trinke. Wenn du lieb
bist, muß ich dich ja lieben, das ist der Liebe Wesen, mein
Wesen und dein Wesen. Lebe wohl, und habe den Muth
nur darum zu weinen, daß du nicht bei mir bist im Fleische
sondern nur im Gedanken, den beide sind eins, und
nur im Abendmahl genießen wir den Gott, denn alles
Wort muß Fleisch werden, auch das Wort der Liebe.

Clemens Brentano

 

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Waß macht der Brief für eine Wirkung auf dich liebes Gün
-terrödchen, ich fürchte immer du stellst dich kluger oder
dummer an, als du bist, sei doch kein Kind, mein Kind, und
verstehe zu leben, das heist, bekümmre dich nur um Gott.

 

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Fräulein
Caroline
von Günterode in