Im Gemäldekabinett präsentierte Johann Caspar Goethe seine Kunstsammlung. Die Bilder bedecken die Wand dicht an dicht wie eine dekorative Tapete. In Dichtung und Wahrheit erzählt Goethe, dass alle in schwarze Rahmen mit goldenen Stäbchen gefasst und symmetrisch angeordnet waren.
Es handelt sich um Genre- und Architekturstücke, Landschaften und Stilleben sowie um einige religiöse und mythologische Sujets. Sie stammen von Künstlern aus Frankfurt und der Umgebung, die Zeitgenossen der Familie Goethe waren. Die Konzentration auf zeitgenössische Künstler unterscheidet das Kabinett von anderen Frankfurter Sammlungen, in denen die angesehenere italienische und niederländische Kunst des Barock vorherrschte.
Mein Vater hatte den Grundsatz, den er öfters und sogar leidenschaftlich aussprach, daß man lieber die lebenden Meister beschäftigen, und weniger auf die abgeschiedenen wenden solle [...]. Er hatte die Vorstellung, daß es mit den Gemälden völlig wie mit den Rheinweinen beschaffen sei, die wenn ihnen gleich das Alter einen vorzüglichen Wert beilege, dennoch in jedem folgenden Jahre eben so vortrefflich als in den vergangenen könnten hervorgebracht werden. Nach Verlauf einiger Zeit werde der neue Wein auch ein alter, eben so kostbar und vielleicht noch schmackhafter. [...]
Nach diesen Grundsätzen beschäftigte er mehrere Jahre hindurch die sämtlichen Frankfurter Künstler […].
Goethe: Dichtung und Wahrheit, I. Teil, 1. Buch