Romantik-Ausstellung

Gibt es so etwas wie den lyrischen Ton der Romantik, so findet er sich wohl nirgends so deutlich und vertraut wie in Eichendorffs bekanntesten Gedichten. In vielen seiner Verse kehren bestimmte, einfache Wendungen immer wieder: Es dämmert, das Land wird still, nur Wald und Brunnen rauschen, die Wolken ziehen, die Nacht bricht ein, die Nachtigallen schlagen, die Sterne blinken. Tagsüber wird ohne Ziel gewandert, die Felder und Straßen glänzen, und das Posthorn weckt die Sehnsucht nach der Ferne. Viele Verse erzählen von Aufbruch und romantischem Herumvagabundieren, andere künden von Wehmut und Abschied. Moderne Lebensformen und Technologien scheint es in dieser Welt nicht zu geben, auch nicht den Raubbau an der Natur, durch den Europa in den Jahrzehnten um 1800 weitgehend entwaldet worden war. Die tiefgreifenden Veränderungen der Zeit, die auch Eichendorffs Lebenswelt prägten, sind nur indirekt spürbar – im sehnsuchtsvollen Ton seiner Lieder.  

Die Technik der Verknüpfung verwandter Motive, die allesamt tief in der literarischen Tradition verwurzelt sind, wird sichtbar in den Entwurfsblättern. Hier zeigt sich auch, dass der selbstverständlich wirkende Fluss der Verse in der Werkstatt des Dichters durch Anstreichen, Kommentieren, Verschieben und neuerliches Beurteilen der einzelnen Elemente sorgfältig in Szene gesetzt wird. Besonders eindrucksvoll zeigt sich dieser Prozess an einem Gedicht mit dem Titel Wünschelrute. Das Entwurfsblatt in der Vitrine zeigt, dass es seinen Ausgang von dem Sonett eines anderen Autors nahm, Friedrich August von Staegemann, die Quelle ist angegeben. Eichendorff knüpft zunächst zögerlich ebenfalls in Sonettform daran an und unterstreicht die Reimwörter, die den Klang der Verse prägen. In der dritten Strophe entsteht dann plötzlich etwas ganz Neues, Unerhörtes: Eichendoff notiert: „Verzaubert schläft ein Lied (oder eine wunderbare Melodie) in allen Dingen / Viele Jahrhundert lang“. Am Rand vermerkt er wie eine Aufforderung an sich selbst: „Der Dichter soll den Zauber lösen – Sieh zu, daß du triffst den rechten Klang!“ Diese Wendung wird schließlich zum Kern des entstehenden Gedichts: Vier Verse nur, die heute zu den bekanntesten der deutschen Romantik zählen:

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.