Intime Kommunikation

Vitrine 5

An Liman 4.2.1815 S. 1
An Limann 4.2.1815 S. 2

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„Wien Sonnabend den 4ten Februar 1814 [mit Bleistift durchgestrichen, darüber, von K.A. Varnhagen: 1815] [rechts oben von K.A. Varnhagen: an Mad. Liman]

Wann schreibt man seinen Freunden? Wenn man etwas von ihnen will. Wer sind unsere Freunde? Die klügsten Menschen, die da wißen was Freundschaft ist. Was ist Freundschaft? Das was sie seyn kann. Die Gabe, anderer Persönlichkeit zu durchschauen, die Tugend sie zu respektiren u anzuerkennen wie die eigene; das Glük eine gefunden zu haben, deren Wesen u bloßes Daseyn uns gefällig ist, in jeder Äußerung, im Gewähren wie im Versagen, u die wieder die Eigenschaften besitzt, und verbindet, unsere Freyheit, d:h: in den Möglichkeiten die ihr entsprechen, ihr Daseyn zu entwiklen. Du erlaubst mir also Schweigen wenn es mir schwehr würde zu sprechen – mit Zunge und Feder – du erlaubst mir einen kurzen Brief, der nur eben das sagt was ich im Augenblik wünsche, u von dir möchte! Du bewirkst mir bey Fridr: bey der Bethman [Einfügung links oben am Rand von oben nach unten geschrieben: für die auch dieser ganze Brief geschrieben ist], daß Sie der Brede, für mich alle mögliche gute Aufnahme bey sich finden läßt. In Rath, u That. Unabgesehen, daß sie sie schon kennt, u wißen wird welche liebe gute Kreatur es ist. Jetzt fordere ich, daß sie ihr die Güte gedenke mit der sie mich so auffallend u ausgezeichnet in der Fremde behandelt hat, u den trostreichen nöthigen

 

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Schutz den sie mich u den meinigen, u allen Preußen, in einem harten ungewißen Augenblik in Prag hat finden laßen. Ihr ganzer heller Punkt im Leben, ihr Augenmerk ist Berlin, die im Herzen regierende über alles leuchtende und hochstehende Vaterstadt! Mit ihrem letzten Ruhm; u ihrem alten, durch seine Kunstliebe, u Künstler. Flek, Ifland sind todt. Bedenke, daß ihr die Betmann, deren Schutz, Wohlwollen, Nähe, Betrachtung, Freundlichkeit Alles seyn muß. Dass sie von ihrem Karakter, und Persönlichen Daseyn die größten festesten Erwartungen als unumstößliche Meinung, durch Jahrelange Mittheilung durch mich hat: u nicht anders denken kann, als sie kommt zur Freundin der Freundin. Die Sie als freysinnig, Wohlthätig [Durchstreichung von K.A. Varnhagen, der stattdessen ‚wollend‘ oberhalb einfügt], unbefangen, mit den spontansten herzreichsten Gaben durch mich genau kennt. So u nie anders konnt ich ihr die Bettm: in unseren häufigen einsamen Unterredungen, in unzähligen Beziehungen schildern: wie oft sie in meinem Leben vor kam welches ich in Bruchstüken fast ganz erzehlte magst du beurtheilen. Die Kunstreichste, begebenheitvollste, begabteste Jugend haben wir zusammen gelebt: Aus meinem Herzen geht das nie: meine Jugend gehöhrt zu meinem älter werden.“