Intime Kommunikation

2. Kapitel: Intimes Schreiben bei Rahel Levin Varnhagen

Zwischen 1805 und 1810 wechseln Rahel Levin Varnhagen und die Schriftstellerin Rebecca Friedländer (1783–1850), geb. Salomon, die nach 1810 unter dem Pseudonym Regina Frohberg publiziert, über 200 Briefe und Billets, die zeitweise täglich zwischen den Berliner Wohnungen der beiden hin und her wechseln. Als intellektuelle jüdische Frauen können beide auf gemeinsame Interessen aufbauen, teilen aber auch schmerzliche Erfahrungen unglücklicher Liebesbeziehungen (insbesondere mit nichtjüdischen Männern) und sozialer Ausgrenzung in einer christlichen Mehrheitsgemeinschaft, die gelehrten jüdischen „Frauenzimmern“ äußerst skeptisch gegenüberstand. Die Briefe der beiden, von denen nur Levin Varnhagens erhalten sind, werden sehr schnell sehr intim. „Putte“ oder „Putine“, so Levin Varnhagens Kosename für Friedländer, erhält Rat und Trost und soll sich „viertelstunden lang“ von der Freundin umarmen lassen. Friedländer scheint auf Levin Varnhagens Forderung, immer „wahr zu sein“, zunächst unumwunden eingegangen zu sein. Doch schon Anfang 1809 sind Spannungen zwischen den Frauen erkennbar. Friedländer, so Levin Varnhagen, verhalte sich immer unberechenbarer und melde Exklusivitätsansprüche an ihre Freundin an, die der Beziehung unangemessen seien. Als Friedländer 1810 den Schlüsselroman Schmerz der Liebe veröffentlicht, in dem Levin Varnhagen kaum maskiert als kaltherzige, verbitterte, pseudo-wohltätige Baronin auftritt, war die romantische Freundschaft der Frauen bereits deutlich abgekühlt. Nach 1812, dem Jahr, in dem Levin Varnhagens Verlobter Karl August Varnhagen (1785 – 1858) einen anonymen Verriss des Romans veröffentlichte, sind keine Briefe mehr dokumentiert.